Der Mensch im Mittelpunkt
im Mittelalter waren die Menschen davon iiberzeugt, dass alles nach Gottes Wilien geschehe. Niemand konne etwas an seinem Schicksai andern, Doch seit dem 15. Jahrhundert traten Gelehrte auf, die behaupteten, der Mensch sei fur sein Denken und Handein seibst verantwortiich.
Ein Studium im Ausiand
Der junge Peter Luder aus Baden betrat imjahr 1439 die norditaiiemsche Stadt Ferrara. Er begann an der Universitat dort zu studieren. 1456 kehrte Peter Luder nach Heidelberg zuriick. Bereits mit seiner Antrittsvorlesung an der Hohen Schule zu Heidelberg loste er bei den. Professoren. nur Emporung aus. Er sprach davon, dass der Mensch im Mittelpunkt der Welt stelae, selbststandig und kritisch denken und alles hmterfragen und nachpriifen solle.
Das passte nicht zu der seit Jahrhunderten an den Universitaten geubten Lehrme-thode. Man durfte Texte nur mit Hilfe der Bibel und der christlichen Autoritaten er-lautern und nach strengen Regeln erortern. Nur das gait als richtig, was mit der christlichen Lehre iibereinstimmte.
Ein neuer Geist aus Itaiien
Peter Luder brachte seme neuen Ideen aus Italien mit. Dort gab es seit Jahren Gelehrte, welche die christlichen Lehren anders auslegten als bisher. Der Mensch stand im Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Er gait als vernunftbegabtes, freies und selbstbewusstes Wesen. Er konne unit Hilfe semes Verstandes und seiner Smne die Welt und die Na-tur erforschen und war Ma:B aller Dmge. Vertreter dieses neuen Menschenbildes nann-ten sich. seibst 1 tumamsten.
Die Antike als Vorbild
Em solches Denken war nicht ganz neu. Die Gelehrten am Ende des 14. Jahrhunderts machten sich auf die Suche nach griechischen und lateinischen Texten. Viele antike Schriften waren von Monchen. im Mittelalter abgeschrieben und aufbewahrt worden, verstaubten aber ungelesen in den Klosterbibliotheken. Die Gelehrten studierten diese Neuentdeckungen eifrig und lernten dabei eine fur sic neuc Sicht des Menschen und der Natur kennen. Sie iibersetzten die Schriften im Italienische und sparer m andere europaische Sprachen. Man sprach. von einer Wiederentdeckung der griechischen und romischen Antike oder dem Zeitalter der Re”. r- m.
Die Ausbreitung des Humanismus in Europa
Die humanistischen Ideen verbreiteten sich schnell in Europa. An den Unii'ersitaten. die iiberall gegrimdet Hoirden. fanden diese Gedanken begeisterte Aufnahme. Der be-ruhmteste humamstische Gelehrte seiner Zeit war der als ..Furst der Wissenschaft“ ge-priesene Erasmus von Rotterdam (14b6-1536). In semen Schriften \'erbreitete er vor allem die Idee des selbststandigen Denkens. 1516 veroftentlichte er die erste gedruckte Ausgabe des Neuen Testaments in griechiseher Sprache. Zu diescr Zeit aber beschat-tigten sich nur die gebiideten Schichten mit den neuen Ideen. Die einfachen Menschen - vor allem aut dem Lande - erftihren. davon wenig.
Q1 Michelangelo, Gott erschafft Adam
Teil eines Deckenfreskos (2,80x5,70m), das die Erschaffung der Welt und des Men-schen zeigt, Sixtinische Kapelle, Vatikan, 1511/12
^^A1 Oberlege, inwiefern das neue Menschenbild in der Darstellung des Adam bei Michelangelo zum Ausdruck kommt. Nimm auch Q3 zu Hilfe.
Q2 Erasmus von Rotterdam Kupferstich von Albrecht Durer,
21x27cm, Kupferstichkabinett Berlin Der Text auf der Tafel lautet „Abbild des Erasmus von Rotterdam von Albrecht Durer nach dem lebenden Vorbild gezeichnet" (lateinisch), darun-ter „Auf vorzuglichere Weise wird er die Schriften herausgeben" (griechisch).
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Q3 Die besondere Rolle des Menschen
Der humanistische Philosoph Giovanni Pico della Mirandola (1464-1494) lieB Gott zum Menschen sagen:
Wir haben dir keinen bestimmten Wohn-sitz, noch ein eigenes Gesicht, noch ir-gendeine besondere Gabe verliehen, 0 Adam, damit du jeden beliebigen Wohn-sitz, jedes beliebige Gesicht und alle Ga-ben, die du dir (...) wunschst, auch nach deinem Willen und nach deiner eigenen Meinunghaben und besitzen mogest.(...) Du bist durch keinerlei unuberwindliche Schranken gehemmt (...). Ich habe dich in die Mitte der Welt gesetzt, damit au von dort bequem urn dich schaust, was es al-les in dieser Welt gibt. Wir haben dich we-der [himmlisch noch irdisch, weder sterb-lich noch unsterblich] geschaffen, damit du (...) dir selbst die Form bestimmst, in der du zu leben wunschst.
Kan Voriande.- I'HrsgB Geschichte dei phiiosophie mit Quehentexten, Band 2: Mittelaiter und Renaissance Reinbek 1990, S. 482.