Irgendwo zwischen Mangalore und Calicut, iz Grad Nord — 75 Grad Ost.
Mittag zwischen 13.30 Uhr und 14.30 Uhr {indische Stand-zeit).
An diesem Tag .batten wir Gluck, Wir rollten gerade von einem Berg in eine scharfgezogene Kurve hinein, da sahen wir etwas ab-seits von der StraBe einen kleinen Tempel. Wir stiegen auf die Bremsen, versteckten die Fahrrader im Gebiisch und offneten die Pforte.
Der Hof des Tempels war knapp zehn Meter breit und vielleicht funfzehn Meter lang. Eine mannshohe Lehmmauer grenzte die Anlage abj und der Schatten dieser Mauer war gerade groB genug fiir unsere Bastmatten.
Der Tempel selbst schien nicht mehr benutzt zu sein. Es war ein leeres Gebaude, von der GroBe ernes Kuhstalls, und auf dem Dach wuchs Gras. Es sah eigentlich mehr aus wie ein friihgeschichtli-ches Hiigelgrab.
'Mirta legte sich schlafen, ich wollte meditieren. Mein Kopf war voller Gedanken, voller Fragen. Ich schleppte diese Fragen bereits seit einigen Tagen mit mir herum wie einen Sack mit lange nicht mehr gewaschener Unterwasche. Praktische Fragen, nutzlose Fragen. Fragen zu der Beziehung zwischen Mirta und mir. Fragen zum Sinn der Reise. Fragen zum Stand der Dinge. In der Regel nehme ich solche Fragen ernst und bemiihe mich, sie zu beantwor-ten. Dann bin ich wie der jager, der der Fahrte eines Tieres foigt. Aber in diesen Mittagsstunden, im Schatten dieser Mauer, war es plotzlich ganz anders. Die Antworten kamen fast schneller als die Fragen. ich brauchte das Problem nur kurz in Gedanken zu for-mulieren, da war es auch schon geklart. Fiinf- oder sechsmal ging das so, Frage—Antwort, Frage—Antwort, dann kam mir der Ver-dacht, daB nicht ich es war, der die Knoten entwirrte, sondern jemand anders. jemand, der mehr wuBte als ich.